Organismen im Boden und unsere Gesundheit

Atlas

Das Wohlbefinden des Menschen hängt eng mit Tieren, Pflanzen, Umwelt zusammen. Unser Körper braucht Mineralstoffe und nützliche Mikroben aus dem Boden – je größer die Vielfalt im Boden, desto besser für uns. Für eine gesunde Ernährung braucht es also auch gesunde Böden.

Böden sind ein Eckpfeiler unserer Gesundheit. Sie sind Quelle für nützliche Mikroorganismen, über die wir mit Pflanzen und Tieren verbunden sind
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Böden sind ein Eckpfeiler unserer Gesundheit. Sie sind Quelle für nützliche Mikroorganismen, über die wir mit Pflanzen und Tieren verbunden sind

Im menschlichen Körper wie im Boden und in Pflanzen siedeln Milliarden von Bakterien, Pilzen, Viren und Einzellern. Sie bilden im Darm des Menschen das Darmmikrobiom und im Wurzelbereich der Pflanze das Bodenmikrobiom. Das Darmmikrobiom beeinflusst den menschlichen Stoffwechsel und das Bodenmikrobiom über die Wurzel den Stoffwechsel der Pflanze. Die Viren, Pilze und Bakterien im Darm wirken mit bei der Verarbeitung von Nahrungsmitteln und schützen vor Krankheitserregern. Dabei sind das pflanzliche und das menschliche Mikrobiom miteinander quasi verbunden, weil Darm und Wurzelbereich von ähnlichen Bakterien bewohnt werden.

Bodenatlas 2024 Cover

Der Bodenatlas 2024

Der Bodenatlas beleuchtet in 19 Kapiteln nicht nur die Folgen des weltweiten Verlusts an fruchtbarem Boden, sondern zeigt auch die Potentiale nachhaltiger und gerechter Bodennutzung für den Klimaschutz und die Artenvielfalt.

Gemüse und Obst sind nicht nur deswegen so gesund, weil sie Vitamine, Mineralien und Ballaststoffe enthalten, sondern auch, weil sie gesundheitsförderliche Mikroben liefern. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Nahrung möglicherweise einen größeren Einfluss auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms hat als die Gene des Menschen. So weisen Mitglieder derselben Familie, die an verschiedenen Orten leben, größere Unterschiede in ihrem Mikrobiom auf als genetisch nicht verwandte Personen, die im selben Haushalt leben und einen ähnlichen Lebens- und Ernährungsstil pflegen.

Ein vielfältiges, gesundes Mikrobiom der Böden, auf denen Obst- und Gemüsepflanzen, Getreide und Kräuter wachsen, ist daher für die menschliche Gesundheit wichtig. Das Wechselspiel von Mikroorganismen und Pflanzen beeinflusst die Qualität, den Geschmack und die Textur der Lebensmittel. Hauptsächliche Quelle nützlicher Mikroben für Pflanzen ist der Boden. Eine Vielfalt an jeweils spezialisierten Mikroben im Wurzelbereich der Pflanze, auf Blattoberflächen sowie im Inneren der Pflanze erhöht die Effizienz der Nährstoffnutzung und damit den Ertrag. Zudem machen sie die Pflanze auch widerstandsfähiger gegen Insekten, schädliche Bakterien und Pilze und können sogar gegen Fadenwürmer oder Virusinfektionen schützen. Allerdings sind die nützlichen Mikroben im Boden vielfältigen Bedrohungen ausgesetzt. Pestizide gegen Beikräuter, Insekten oder Pilze schädigen Organismen in und auf Böden. Beeinträchtigt werden sie auch durch den Einsatz von Mineraldünger, Erosion, Temperaturveränderungen und Dürren, die im Kontext der Klimakrise zunehmen. Dadurch fehlen Nutzpflanzen heute viele ihrer wichtigen Symbiosepartner wie Pilze und Bakterien.

Eine hohe Bakterienvielfalt im Darm stärkt das Immunsystem und fördert die Widerstandsfähigkeit des ganzen menschlichen Organismus
Eine hohe Bakterienvielfalt im Darm stärkt das Immunsystem und fördert die Widerstandsfähigkeit des ganzen menschlichen Organismus

Die schädigende Wirkung von Pestiziden auf das Bodenmikrobiom ist für Glyphosat gut nachgewiesen. Das Herbizid wird seit mehr als 40 Jahren in der Landwirtschaft eingesetzt und hemmt bei Pflanzen ein Enzym, das für die Synthese von Aminosäuren verantwortlich ist. Dieses Enzym, die sogenannte EPSP-Synthase, ist in allen Pflanzen vorhanden, aber nicht im Menschen – das macht es für die Landwirtschaft so attraktiv. Eine Reihe von Berichten zeigt allerdings, dass Glyphosat sich negativ auf nützliche Mikroben in Boden, Wurzelumgebung und Pflanzengewebe auswirken kann. Solche Prozesse wurden auch im Darmmikrobiom des Menschen beobachtet; so hemmt Glyphosat die Bakterien Bifidobacterium und Enterococcus. Der menschliche Körper ist auf Mineralstoffe aus dem Boden angewiesen. Ein lebenswichtiges Spuren­element ist Selen, das körpereigene Abwehrkräfte stärkt. Der Mensch nimmt Selen zum Beispiel durch Getreide auf. Die Konzentration von Selen in der Pflanze ist vom Vorkommen im Ackerboden abhängig. Trockene Äcker weisen im Schnitt niedrige Selenkonzen­trationen auf, so dass die Klimakrise mit ausgeprägten Trockenperioden den Selenmangel in der Nahrung zu befördern droht. Gravierender Selenmangel kann zu Fehlfunktionen des Herzmuskels und zu Wachstumsstörungen bei Kindern führen.

Tausende Arten von Mikroorganismen leben in einem Gramm Boden. Ein Teelöffel voll Erde allein beherbergt 200 Meter Pilzfäden
Tausende Arten von Mikroorganismen leben in einem Gramm Boden. Ein Teelöffel voll Erde allein beherbergt 200 Meter Pilzfäden

Der Mensch kann nur elf der 20 Standardaminosäuren selbst herstellen – die anderen neun sowie alle 13 essenziellen Vitamine müssen mit der Nahrung aufgenommen werden. Die meisten dieser Aminosäuren und Vitamine stammen aus Obst und Gemüse, aus Fleisch, Eiern, Milchprodukten. Einige wesentliche Verbindungen aber werden von Mikroben produziert. So kann das Vitamin B12 weder von Pflanzen noch von Tieren selbst gebildet werden, sondern nur im Mikrobiom von Pflanzen oder im Darm von Wiederkäuern. Dies ist ein Beispiel für die Produktion von Aminosäuren und Vitaminen durch Mikroben; abgesehen davon synthetisieren sie auch sekundäre Pflanzenstoffe und Chemikalien und Medikamente wie Antibiotika.

Werden diese Abläufe behindert oder die synthetisierten Stoffe vernichtet – etwa durch Chemikalien, die Früchte und Gemüse auf langen Transportwegen schützen sollen, werden auch nützliche Mikroorganismen entfernt. Dies führt langfristig zu Störungen des Darmmikrobioms. Es kann verschiedene Magen-Darm-Erkrankungen auslösen und zur Entwicklung von Immunerkrankungen, Diabetes, Fettleibigkeit oder chronischen Nierenerkrankungen beitragen. Um das zu verhindern und die menschliche Gesundheit zu fördern, braucht es gesunde Nahrungsmittel. Und dafür gesunden Boden.